Journalist werden ohne Studium - geht das?

Mikro als Metapher für Journalist werden ohne Studium

Journalist werden ohne Studium geht heute einfach, auch aufgrund des Fachkräftemangels.

Klar geht das! Die Frage ist, ob der Einstieg in den Journalismus ohne Studium direkt nach der Schule zu einem persönlich passt.

Mittlerweile herrscht Fachkräftemangel auch im Journalismus. Lokalredaktionen jammern, dass sie keine Volontäre bekommen. Die Chancen für ein Volontariat nach dem Abitur stehen nicht schlecht.

  1. Wie wird man Journalist?

  2. Journalist werden ohne Studium - Vorteile

  3. Journalist werden ohne Studium - Nachteile

  4. Welches Studium, wenn ich Journalist werden will?

  5. Journalist werden als Quereinsteiger

  6. Meine Tipps für alle, die noch in der Schule sind

  7. Exkurs: Wie werde ich Reisejournalist?

Eines der größten Missverständnisse unseres Berufs ist aus meiner Sicht, dass man Journalist werden möchte, weil man gerne und gut schreibt. Natürlich helfen eine gute Deutsch-Note samt Rechtschreibung und ein gutes Sprachgefühl. Das alleine reicht aber nicht.

Schreiben ist im Print-Journalismus nur der letzte Arbeitsschritt. Davor stehen Themenfindung, Recherche, Analyse, Nachdenken, Abwägen der Argumente, Konfrontieren und ja, auch das Aushalten von Gegenwind.

Dazu kommen zahlreiche technische und digitale Kompetenzen, ohne die es heute auch in der schreibenden Zunft nicht mehr geht.

1. Wie wird man Journalist?

Es gibt keine vorgeschriebene Ausbildung für den Beruf des Journalisten. Folgende Wege existieren:

  1. Das zweijährige Volontariat bei einer Zeitung, einem Magazin, einem Radiosender oder bei einem TV-Sender. Diesen Weg schlagen die meisten künftigen Journalisten ein. Erwünscht ist häufig das Abitur plus Studium, aber es gibt keine formale Regel, die das vorschreibt.

  2. Der unbezahlte Besuch einer der angesehenen Journalistenschulen mit Praktika in überegionalen Redaktionen. Immer noch beliebt, die Aufnahmetests sind anspruchsvoll. Dauer 1,5 bis 2 Jahre. Es gibt Stipendien, jobben nebenbei ist eher schwierig.

  3. Ein medienwissenschaftliches bzw. publizistisches Studium

  4. Eine Kombination aus Journalistenschule und Studium (finde ich persönlich sehr charmant, wenn man auf den Verdienst im Volontariat nicht angewiesen ist. Es gibt aber Stipendien).

2. Journalist werden ohne Studium - Vorteile

  • Ihr legt direkt nach dem Abitur los und verdient bereits während eines Volontariats Geld. Und gar nicht mal so schlecht: Auf der Ausbildungsmesse Kult in Lörrach sprach ich mit meiner Volontärin der hier ansässigen Oberbadischen Zeitung. Derzeit verdienen Volontäre im ersten Jahr 1.800 Euro und im zweiten 2.400 Euro. Sogar remote Work ist in Teilen möglich. Da hat sich also einiges getan.

  • Ihr werdet sofort ins kalte Wasser geschmissen und dürft ran. Denn Volontäre dürfen, so sie sich gut anstellen, sofort raus, recherchieren und schreiben. Das ist nach einer acht- bzw. neunjährigen Schulzeit vielleicht ganz wohltuend.

  • Die Chance, dass ihr direkt nach eurem Volontariat übernommen werdet, stehen derzeit sehr gut. Den Redaktionen laufen nämlich buchstäblich die Leute weg. Zum einen, weil viele Redakteurinnen und Redakteure mit noch sehr gut dotierten Alt-Verträgen in Rente gehen bzw. per Abfindung in Rente geschickt werden, zum anderen kommen einfach zu wenig junge Interessenten nach.

  • Konkret heißt das: Wenn ihr mit knapp 18 Jahren Abitur gemacht habt, seid ihr mit 20 fertig ausgebildete Redakteure (wobei “fertig” natürlich relativ ist, als Journalistin lernt man ein Leben lang).

  • Sollte der Beruf euch keinen Spaß machen, könnt ihr jetzt immer noch ganz locker ein Studium oder eine Berufsausbildung dran hängen. Mit 20 ist man noch sooo jung.

  • Es gibt einige renommierte Journalistenschulen, die auch Abiturienten aufnehmen - so sie den strengen Test bestehen: Da wäre zum einen die Deutsche Journalisten Schule in München, bei der für den Kompaktlehrgang Abitur genügt. Aber auch die Henri-Nannen-Schule nimmt Abiturienten auf. Beide setzen aber erste Erfahrungen mit Medien voraus.

  • Mein Favorit als BWLerin: Bei der Kölner Journalisten Schule richtet sich die vierjährige Vollausbildung an Abiturienten. Eine Vorerfahrung im Journalismus ist keine Bedingung. Parallel zur Journalistenausbildung absolviert man ein wirtschafts-, sozial- oder politikwissenschaftliches Bachelor-Studium. Dass die Schule in Köln sitzt, ist kein Zufall: Viele der Absolventen landen in Wirtschaftsredaktionen der Wirtschaftswoche und des Handelsblatts in Düsseldorf.

  • Sogar öffentlich-rechtliche Sender wie der SWR schreiben in ihre Stellenanzeigen, dass sie auch für Quereinsteiger und Nicht-Akademiker offen sind. Das wäre vor 20 oder 30 Jahren undenkbar gewesen.

3. Journalist werden ohne Studium - Nachteile

  • Ihr werdet während eures Volontariats bei einer Tageszeitung aller Voraussicht nach erst einmal für den Lokalteil einer Zeitung ausgebildet. Da spricht auch nichts dagegen. Allerdings habt ihr außer eurer Redakteurs-Ausbildung keine fachliche Qualifikation. Der Weg in andere Ressorts wie Wirtschaft oder Wissenschaft ist dadurch schwerer. Journalismus und Schreiben ist Learning by Doing, aber bei Wirtschaft, Medizin, Technik ist das nicht so einfach.

  • Wenn man erst einmal Geld verdient hat, fällt es schwer für ein Studium zu kündigen und wieder ohne Lohn & Brot dazustehen. Heißt: Wenn ihr danach studieren, fallt ihr finanztechnisch erst einmal zurück, zumindest wenn es an eine klassische Hochschule oder an eine Universität geht. Es gibt allerdings das gerade in Baden-Württemberg populäre duale Studium mit Bachelor-Abschluss. Für diese Stellen muss man sich in einem Betrieb bewerben. Dann wechseln Theorie und Praxis im Drei-Monats-Rhythmus ab und es gibt eine Ausbildungsvergütung, die höher liegt als bei den klassischen Ausbildungsberufen.

  • Die Medienbranche hängt direkt von ihren Vertriebs-, aber hauptsächlich von ihren Werbeeinnahmen ab. Seit Jahrzehnten befindet sich die Verlagsbranche im Krisenmodus. Heißt also: wer ausschließlich auf ein journalistisches Volontariat setzt, macht sich von der Medienbranche auch abhängig. Daher ist ein Studium davor oder danach sinnvoll.

4. Welches Studium, wenn ich Journalist werden will?

Ich werde häufig gefragt, ob ich Germanistik oder Journalismus studiert hätte. Ich halte davon GAR nichts. Germanistik hat so viel mit Journalismus zu tun wie Mathematik mit Buchhaltung. Besser: Ihr absolviert eine fachbezogene Ausbildung oder ein Studium, welches nichts mit Journalismus zu tun hat.

Warum? Damit habt ihr erstens schon mal eine fachliche Spezialisierung für ein Ressort:

  • mit Betriebswirtschaft oder Volkswirtschaft für das Wirtschaftsressort

  • als Ingenieur für das Technik-Ressort

  • als Mediziner für das Gesundheitsressort

  • als Ex-Sportler oder Sportwissenschaftler für das Sportressort

  • als Literaturwissenschaftlerin für das Literatur-Ressort (da gibt’s aber nur wenige Stellen)

  • und natürlich auch als Politikwissenschaftler für das Politikressort

Zweitens macht diese Expertise euch unabhängig. Ihr müsst dann nicht unbedingt lebenslang als Journalist arbeiten, sondern könnte leichter umsatteln.

5. Journalist werden als Quereinsteiger

Die Berufsbezeichnung Journalist ist nicht geschützt und nicht an einen Abschluss geknüpft. Jeder kann sich also Journalist, Autor oder Publizist nennen und einige tun das auch, auch wenn sie in ihrem Leben erst drei Artikel veröffentlicht haben.

Wer aber als Quereinsteiger in höherem Alter in den Journalismus einsteigen möchte, muss praktische und theoretische Skills lernen.

  • Gerade das Schreiben und der eigene Stil durch freie Mitarbeit bei verschiedenen Medien erarbeiten. Ich betone hier ausdrücklich “verschiedene”, weil ich gerade zu Beginn der journalistischen Tätigkeit als Broterwerb Erfahrungen mit verschiedenen Redaktionen für wertvoll halte.

  • Die Verschiedenartigkeit kann sich auf die Mediengattungen wie Print, Radio, Online, Tv beziehen, auf die verschiedenen Ressorts oder auch darauf, ob ich für ein Fachmedium schreibe oder eben für einen Publikumstitel.

  • Auch Seminare sind sinnvoll, beispielsweise würde ich gerade zu Beginn ein Existenzgründungs-Seminar empfehlen. Ich halte diese übrigens selbst. Wer mag, schaut hier auf der Seite der Journalistischen Aus- und Berufsbildung (JAB) vorbei.

6. Tipps für alle, die Journalist werden wollen und noch zur Schule gehen

Für alle, die noch auf der Schule sind und über Journalismus als Beruf nachdenken:

  • Versucht so früh wie möglich Praktika in Redaktionen zu absolvieren. Am besten schon als Schüler. Viele Tageszeitungen bieten das mittlerweile als sogenannte Berufsorientierung an Gymnasien (Bogy) an. Dann könnt ihr feststellen, ob euch der Beruf wirklich interessiert.

  • Selbstverständlich können sich auch Realschüler um ein Praktikum bewerben. Traut euch! Mehr als eine Absage kann euch nicht passieren.

  • Nutzt jede Gelegenheit mit Redakteuren und freien Journalisten ins Gespräch zu kommen und sie auszuquetschen. Mit ein bisschen Erfahrung und Menschenkenntnis merkt ihr schnell, wer es gut mit euch meint und wer nur onkelige oder tantige Besserwisser-Tipps ohne Substanz von sich gibt. Anders Formuliert: Irgendwelche Chefredakteure oder Journalisten in Rente (ich benutze hier ausdrücklich mal die männliche Form), die nur stundenlang über sich erzählen und wie toll sie sind/ waren, sind keine echte Hilfe.

  • Auch für freie Mitarbeit stehen die Chancen so gut wie nie. Gerade Lokal-Redaktionen suchen händeringend Leute, die für sie Termine wahrnehmen und darüber schreiben. Aber Achtung: Lokaljournalismus, ich muss es leider so derb ausdrücken, ist für Freie saumäßig schlecht bezahlt. Also: Freie Mitarbeit im Lokaljournalismus ist gut um erste Erfahrungen zu sammeln, aber nicht um damit dauerhaft Geld zu verdienen oder gar davon als freier Journalist zu leben.

  • Du bist die Erste, die in deiner Familie studiert? Schau dir mal die Website von Arbeiterkind an. Dort findest du Hinweise und Fördermöglichkeiten.

  • Auch wenn die Chancen gerade gut stehen: Rechnet nicht damit, diesen Beruf ein Leben lang bis zur Rente auszuüben. Journalist gehört zu den Berufen, die sich durch Künstliche Intelligenz extrem verändern werden. In welche Richtung es genau geht, weiß heute keiner.

  • Früher haben Redakteure gut verdient und bekamen ordentliche Sozialleistungen. Die meisten Verlage waren Mitglied im Tarifvertrag. Heute ist das anders: zahlreiche Verlage arbeiten ohne Tarifverträge oder nur mit hauseigenen Tarifen. Wer heute Journalist werden will, sollte das auch wissen.

7. Exkurs: Wie werde ich Reisejournalist?

Ich selbst arbeite seit fast 20 Jahren als Reisejournalistin. Ich gebe in Seminaren und Kursen mein Herrschaftswissen gerne weiter.

Falls Sie sich für diesen Traumberuf interessieren, tragen Sie sich gerne auf meiner Reisejournalistinnen-Seite in meinen Spezial-Newsletter ein. Sie erhalten dann eine Mail, sobald ich ein Seminar halte oder einen Kurs anbiete. Keine Sorge, ich spam Sie nicht zu und Sie erhalten auch keine aufblasbare Waschmaschine.

Journalist werden mit oder ohne Studium , wie geht das?

Tageszeitungen suchen händeringend Volontäre.

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