Pressemitteilung: brauch’ ich das oder kann das weg?

Lautsprecher als Symbol für das Schreiben einer Pressemitteilung

Pressemitteilung schreiben ist nicht immer der richtige Weg, um ein Unternehmen in die Medien zu bringen

Breaking News! Die Zahl geschriebener Pressemitteilungen übersteigt die Zahl der gelesenen Presseinformationen - und zwar um ein Vielfaches.

Woher ich das weiß? Ich kenne meine Presse-Kollegen - und ich kenne mich. Es hat Zeiten gegeben, da bin ich in Presseinformationen und Medienmitteilungen (dem Schweizer Ausdruck für Pressemitteilungen) regelrecht ersoffen: 50 oder mehr Mails pro Tag - das habe ich nie geschafft.

Die meisten Pressemitteilungen landen bei den Medien also per “Delete” in der Ablage P, und zwar ungelesen.

Doch wie wählen Journalisten die Pressemitteilungen aus, die sie lesen?

Was ist das Ziel einer Pressemitteilung?

Woran scheitern Pressemitteilungen?

So lesen Journalisten Pressemitteilungen

Ist das Schreiben einer Pressemitteilung sinnvoll?

Pressemitteilung schreiben: Was ist eine Nachricht?

Wie wird eine Nachricht zum längeren Bericht oder zur spannenden Story?

Story statt Bericht: Was genau ist der Unterschied?

Wann passt eine individuelle Mailansprache besser als eine Presseinformation?

Was ist das Ziel einer Pressemitteilung?

Das Ziel einer Pressemitteilung ist es Inhalte so interessant aufzubereiten, dass Journalisten und Redaktionen, eben die Presse, das Thema spannend findet und es für ihre redaktionelle Berichterstattung aufgreift.

Im Idealfall übernimmt die Redaktion den Text einer Pressemitteilung komplett, wendet also das berühmte “Copy Paste” an.

Genauso denkbar ist es, dass die Presse den Text kürzt, zusammenfasst oder nur das Thema an sich aufgreift. Im letzteren Fall inspiriert die Pressemitteilung zu einer aktuellen oder späteren Berichterstattung.

Woran scheitern Pressemitteilungen?

Fast alle Pressemitteilungen sind zu absender-orientiert formuliert, und zwar bei Stil und Inhalt. Wenn ein Text keine Nachricht bzw. null spannende Fakten enthält und dazu noch werblich klingt, ist das Lesen einer Pressemitteilung für Journalisten Zeitverschwendung.

An dieser Stelle verlieren die meisten Pressemitteilungen ihr eigentliches Ziel: nämlich Journalisten für das Anliegen des Absenders zu interessieren.

So lesen Journalisten Pressemitteilungen

Bevor Journalisten eine Pressemitteilung öffnen, scannen zunächst die Betreffzeile auf relevante Informationen - und falls da etwas steht wie

  • “Presseinformation” (und sonst gar nix)

  • “1. Platz für Website keinschoenerland.de”

  • “Winter is coming”

  • “Der Berg ruft zum entspannten Sommerurlaub”

  • “Innovative nachhaltige Trinkflasche gelauncht”

  • “Im Wellnesshotel xy können Gäste in atemberaubender Szenerie ihre Seele baumeln lassen”

wandert die Mail ungelesen in den Papierkorb. Warum?

  • Weil die Betreffzeile beliebig ist

  • Weil dort Formulierungen wie “innovativ” und “die Seele baumeln lassen” stehen (Journalisten hassen “baumelnde Seelen”)

  • Weil es um Produkte geht (Journalisten interessieren sich nicht für neue Produkte, auch wenn sie noch so nachhaltig sind. Sie verweisen in diesem Fall gerne auf die Anzeigenabteilung.)

  • Weil sie zu viel Selbstlob und Eigen-PR enthält

Aber vor allem: weil die Betreffzeile für Medien keine relevanten Informationen verspricht und beim Leser eine akute Gähnattacke auslöst.

Sind Pressemitteilungen sinnvoll?

Eine Presseinformation ist für Journalisten nur dann interessant, wenn sie bereits in der Betreffzeile etwas Neues oder Ungewöhnliches verspricht und, ganz wichtig, dieses Versprechen auch in der Pressemitteilung einhält.

Das kann eine Nachricht sein, aber auch eine besondere Geschichte, eine Story.

Leider erfüllen die meisten Pressemitteilungen diese Voraussetzungen nicht.

Echte (Wirtschafts)nachrichten sind beispielsweise:

  • Der CEO eines DAX-Konzerns tritt zurück oder noch besser: er muss zurücktreten (Skandal!)

  • Daimler hat erstmals eine Frau an der Spitze

  • Eine Professorin einer kleinen Uni erhält den Nobelpreis für Wirtschaft

  • Ein bislang unbekanntes Pharmaunternehmen entwickelt einen Impfstoff gegen Covid19

  • BMW bringt das erste E-Auto mit einer Reichweite von 1000 Kilometern auf den Markt

Echte lokal-relevante Wirtschaftsnachrichten sind beispielsweise:

  • Der einzige Supermarkt im Dorf schließt

  • Ein bislang eher unauffälliges Unternehmen im Ort verzeichnet einen Umsatzrekord (hidden champion)

  • Das örtliche Tanzstudio bietet als erstes Studio (oder als eines der ersten, Lokalredaktionen sind da durchaus großzügig) deutschlandweit Ballett für Frauen ab 60 an

Bei all diesen Sätzen springt bei Journalisten das Kopfkino an. Ich habe bei diesen Themen sofort ein Bündel an Fragen und will loslegen.

KEINE relevanten Themen sind

  • Ein Hundesalon erhält den 1. Preis für die schönste Website

  • Ein Yogastudio wechselt von Hatha-Yoga zu Vinyasa-Yoga

  • Die Badische Weinkönigin kommt aus Freiburg (allenfalls für die Badische Zeitung interessant, käme sie dagegen aus Leipzig, wäre das ein Knüller!)

  • Ein Einzelhändler, ein Fitnessstudio, eine Anwaltskanzlei….feiert das 60., 70., 80., 90…..Firmenjubiläum. Mit 50, 75 und 100 Jahren schafft man es immerhin in die Lokalzeitung und ins IHK-Blatt.

Pressemitteilung schreiben: Was ist eine Nachricht?

Eine Nachricht enthält eine Neuigkeit, relativ schlicht verpackt, ohne Wortgirlanden und szenischen Einstieg:

  • Was ist

  • wann und

  • wo passiert

Falls Sie als Unternehmer Ihre Information als Nachricht verbreiten wollen, lautet mein Tipp: Lernen Sie möglichst schnell, wie man eine Nachricht schreibt. Nachrichtentexte schreiben ist keine Rocket-Science. Text-Länge: Maximal 1000 bis 2000 Zeichen. Das schaffen Sie!

Idealerweise kann der Journalist bzw. die Redakteurin nämlich per Copy-Paste Ihren Text größtenteils oder ganz übernehmen. Zack! So schafft es Ihre Meldung in die Zeitung oder ins Magazin.

Praxistipp: Ersparen Sie Redaktionen das Öffnen eines Anhangs und schreiben Sie Ihre Meldung direkt in die Mail. Natürlich mit einem aussagekräftigen Betreff.

Wie wird eine Nachricht zum Bericht oder zur Story?

Falls eine Redaktion Ihre Nachricht besonders spannend findet, ruft sie ein Redakteur nochmals an.

Er fragt sie dann nach weiteren Hintergrundinfos, er möchte die Nachricht einordnen: warum ist etwas passiert? Und wie?

Bei oben genanntem Themen-Beispiel Supermarkt:

  • Warum muss der Supermarkt schließen?

  • Kann die Dorfgemeinschaft das noch verhindern?

  • Welche Folgen hat das für die Einwohner?

Beim Beispiel Ballettstudio 60plus:

  • Wie kam die Inhaberin auf die Idee?

  • Warum tut Ballett auch Frauen ab 60 gut?

  • Welche Voraussetzungen müssen Frauen mitbringen?

  • Und: Dürfen auch interessierte Männer mitmachen?🕺😅

Daraus entsteht dann ein Bericht (und vielleicht auch mehr). Berichte sind also Nachrichten mit mehr Futter am Ende.

Das ist übrigens auch der Grund, warum wir Journalisten in unserer Ausbildung lernen, Berichte stets so zu schreiben, dass ein Dritter, z.B. eine Redakteurin den Artikel von hinten kürzen kann. So bleibt die Nachricht im ersten Teil erhalten, falls kurzfristig statt 80 Zeilen nur noch für 40 oder 20 Zeilen Platz ist.

Heißt also auch: Das Wichtigste muss nach vorne.

Typische Kurznachrichten finden Sie in den Randspalten Ihrer Zeitung. Synomyme für Nachrichten sind Meldung und Kurzmeldung.

Bahnbrechende Nachrichten wie ein frisch gewählter Bundeskanzler, der Absturz des DAX um 30 Prozent oder der Durchbruch bei der Entwicklung eines Impfstoffs bilden oft den Aufmacher auf Seite eins.

Sie merken schon: Für kleinere Unternehmen liegen die Hürden bei Nachrichten in den Mantel (= überregionalen Teil) einer Zeitung zu kommen deutlich höher als für Großkonzerne. Wenn bei Daimler der CEO wechselt und BMW eine neue Fabrik baut, wird ein Wirtschaftsredakteur das stets aufgreifen.

Aber ob jetzt bei Reifen-Müller ein neuer Chef antritt oder die Druckerei Meier in eine neue Offset-Maschine investiert, ist für Wirtschaftsredaktionen nicht unbedingt relevant und interessiert die Leser nur mäßig.

Aber das ist gar nicht schlimm. Denn Storys haben gerade für kleine Unternehmen mehr Potenzial.

Story statt Bericht: Was genau ist der Unterschied?

Eine Story ist eine eher zeitlose Geschichte, die ein Medium zum gegenwärtigen Zeitpunkt aufgreifen kann, aber nicht aus Chronistenpflicht aufgreifen muss. Falls ein Journalist aber Ihre Story aufgreift, erzählt er oder sie diese meist in einem längeren Format, beispielsweise in einer Reportage, in einem Personen- oder einem Firmen-Porträt.

Eine gute Geschichte lebt von Emotionen, persönlichen Entwicklungen, spannenden Wendungen und ja, auch vom Scheitern. Nachrichten sind dagegen nüchtern, enthalten Fakten und haben ein Verfallsdatum, nach dessen Ablauf das Thema durch ist.

Im Falle des Dorf-Supermarkts, der schließen muss, gibt es verschiedene Ansätze:

  • Porträt über die Inhaberfamilie, die erzählt, wie sie seit Jahren ums Überleben kämpft, aber es nicht schafft mit den niedrigen Preisen der Discounter mitzuhalten.

  • Hintergrund-Feature wie das Dorf sich zusammenschloss um den Supermarkt jetzt doch noch zu retten.

Im Falle des Ballettstudios wären folgende Ansätze denkbar:

  • Ein Porträt über die 65-jährige Inhaberin, die erzählt, welche Auswirkungen ihr lebenslanges Balletttraining auf ihr eigenes Wohlbefinden hat

  • Eine Reportage vor Ort, bei der die Autorin eine Ballettstunde beobachtet und in der mehrere Ansprechpartnerinnen zu Wort kommen und über ihre Beweggründe berichten

  • Eine Selbsterfahrungs-Story, bei der die Autorin oder der Autor selbst eine Ballettstunde mitmacht

  • Eine Magazin-Story, die aus wissenschaftlicher Sicht argumentiert, warum Ballett auch für Ältere gesund ist (falls die Studienlage dies zulässt) und Frauen hilft, Muskelabbau vorzubeugen und/oder die durch Wechseljahre bedingte Gewichtszunahme im Griff zu behalten.

Genau in diesen ausführlichen Formaten liegt Potenzial für Ihr kleines Unternehmen. Vielleicht haben Sie auch eine ungewöhnliche, längere Geschichte zu erzählen?

Gut zu wissen: Oft landen diese Formate in der Wochenend-Beilage einer Zeitung. Sie erscheinen also genau dann, wenn Leserinnen und Leser besonders viel Zeit für die Lektüre haben. Für Sie und Ihr Unternehmen ist das ideal.

Wann eher individuelle Mail statt Pressemitteilung?

Überlegen Sie sich also genau, ob eine Pressemitteilung der richtige Weg zu mehr Sichtbarkeit ist. Oder ob Sie nicht lieber einzelnen Redakteuren und freiberuflichen Journalisten Themenvorschläge mailen, die für ein längeres Format taugen.

Falls Sie nur einer übersichtlichen Zahl von Redaktionen einen Veranstaltungstermin verkünden wollen, können Sie das auch kurz und knapp tun.

Das geht aber auch mit einer kurzen individuellen Mail an die richtigen Pressekontakte mit persönlicher Anrede. Das zeitintensive Verfassen einer Presseinformation können sich also gerade kleinere Unternehmen in den meisten Fällen sparen.

Testen Sie sich selbst, bevor Sie mit dem Schreiben einer Pressemitteilung beginnen: würden Sie einen ähnlichen Text über andere Unternehmen in der Zeitung oder in einem Magazin lesen wollen?

Tipp: Fragen Sie einen ehrlichen Menschen als Test-Leser an. Fragen Sie, ob er/sie die Informationen, die Sie für Ihre Pressemitteilung geplant haben, spannend findet. Lautet die Antwort “Nein”? Dann lieber nicht.

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pressemitteilung schreiben: brauch' ich das oder kann das weg

Eine Pressemitteilung schreiben kostet viel Zeit, wird aber meist von Journalisten gar nicht gelesen

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Presseverteiler aufbauen: 5 Tipps für perfekte Pressekontakte

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